Phase 3

Bürgergutachten

März 2021

Download: Bürgergutachten des Bürgerrats "Deutschlands Rolle in der Welt"

Vom 13. Januar bis zum 20. Februar 2021 fand der zweite bundesweite losbasierte Bürgerrat statt.
Rund 160 Teilnehmerinnen und Teilnehmer aus ganz Deutschland
wurden dafür zufällig aus den Einwohnermelderegistern ausgewählt. Bedingt durch die
Pandemie fand der Bürgerrat online statt und ist damit der erste komplett digital organisierte
Bürgerrat
dieser Größenordnung.

Auf Vorschlag des Ältestenrats des Deutschen Bundestages lautete das Thema, das in insgesamt
50 Stunden beraten wurde: Deutschlands Rolle in der Welt. Um das breite und vielschichtige
Thema gut bearbeiten zu können, wurde der Bürgerrat wiederum per Los in fünf Untergruppen
aufgeteilt.

In diesen wurde über fünf Themenfelder beraten, die in der Phase der Vorbereitung
des Programms des Bürgerrats als zentral für Deutschlands Rolle in der Welt identifiziert worden
waren: Demokratie & Rechtsstaat, Wirtschaft & Handel, Frieden & Sicherheit, EU und Nachhaltige Entwicklung. In den Reisegruppen erhielten die Teilnehmenden als Grundlage ihres Meinungsbildungsprozesses Informationen von Expert:innen mit ganz verschiedenen Perspektiven.

ZUSAMMENFASSUNG DER EMPFEHLUNGEN

Die Arbeit in den Reisegruppen diente nicht nur der Entwicklung von Empfehlungen zu den fünf
Themenfeldern, sondern auch dazu, die Rolle Deutschlands in der Welt an konkreten Beispielen
zu durchdenken. Die dabei gewonnenen Erkenntnisse gingen in einen Reflexionsprozess zur
Rolle ein, der im Plenum, also der Runde aller Teilnehmenden des Bürgerrats, stattfand. Abschließend wurde ein Leitbild formuliert, das ebenso wie die Empfehlungen aus den Gruppen
am letzten Tag abgestimmt wurde. Am Ende der Bürgerrat-Reise halten die Teilnehmenden als Leitsätze für die Außenpolitik fest:

  • Deutschland soll in der Rolle einer „Partnerin und Vermittlerin“ mehr Verantwortung in der
    Welt übernehmen. Im Zentrum des Auftretens sollen Nachhaltigkeit, Klimaschutz, Wahrung der Menschenrechte sowie Frieden und Sicherheit stehen. Dafür muss die deutsche Politik zunächst den eigenen Ansprüchen gerecht werden.
  • Durch innovatives und inspirierendes, zugleich aber selbstkritisches und konsequentes
    Handeln kann Deutschland von anderen Ländern als Vorbild angenommen werde

In der Reisegruppe Wirtschaft und Handel betonen die Teilnehmenden, dass sich Deutschland
für Fairness und Nachhaltigkeit im internationalen Handel einsetzen soll.

  • Konkretisiert wird dies unter anderem in der Forderung nach einem Lieferkettengesetz zur
    Einhaltung menschenrechtlicher, sozialer und ökologischer Standards.
  • Eine gewisse Begrenzung erfährt die Forderung nach einem freien Welthandel ohne Handelshemmnisse dadurch, dass auch in der Gestaltung internationaler Handelsbeziehungen Menschenrechte, Demokratie und Rechtsstaatlichkeit das Wertefundament bilden sollen.
  • So soll Deutschland zusammen mit anderen demokratischen Staaten unter anderem ein
    stärkeres Gegengewicht zur Handelsmacht China aufbauen.

Die Reisegruppe Europäische Union stellt fest, dass Deutschland in und mit der EU eine größere
Rolle in der Welt spielt.

  • Deswegen soll die EU-Außenpolitik durch Mehrheitsentscheidungen schlagkräftiger und
    dadurch schrittweise und themenfeldbezogen eigenständig werden.
  • Weil die Einheit Europas für Deutschland von so hohem Interesse ist, empfiehlt die Reisegruppe,
    nur dann, wenn anders keine Lösungen zu erreichen sind, in der Migrationspolitik
    auf eine Koalition der Willigen zu setzen, damit die fortgesetzten Verletzungen der Menschrechte an den EU-Außengrenzen beendet und die Schutzsuchenden gerechter verteiltwerden können.

Die Reisegruppe Frieden und Sicherheit beantwortete die Frage, ob und wie sich Deutschland
militärisch in der Welt engagieren soll und welche zivilen Möglichkeiten zur Vermeidung und
Beilegung von Konflikten zur Verfügung stehen.

  • Im Ergebnis plädiert die Gruppe dafür, Prävention zu stärken, die Ausrüstung der Bundeswehr zu modernisieren und sie als eine Truppe aufzustellen, die vor allem friedenssichernde und humanitäre Aufgaben übernimmt.
  • Zivile Friedenssicherung wird als gleichwertige Ergänzung eingeordnet. Die Ausgaben für
    den Verteidigungshaushalt sind entsprechend anzupassen.

Die Reisegruppe Demokratie und Rechtsstaat befasste sich mit der internationalen Zusammenarbeit und dem Verhältnis zu Autokratien und kam im Ergebnis zu einer Doppelstrategie. Die Verletzung von Menschenrechten und rechtsstaatlichen Prinzipien soll Deutschland überall in der Welt konsequent ansprechen, sich zugleich aber auch darum bemühen, mit autokratischen Staaten im Gespräch zu bleiben.

  • Aus Gründen der historischen Verantwortung und kulturellen Nähe soll zu Russland ein
    partnerschaftliches Verhältnis gesucht werden, auch um demokratische Werte zu vermitteln.
    Mit China ist Deutschland nicht in vergleichbarer Weise verbunden.
  • Außerdem soll sich Deutschland für eine Reform des UN-Sicherheitsrates einsetzen.

Nachhaltigkeit, Klimaschutz, das Recht auf sauberes Wasser und die Bekämpfung des Welthungers gehören nach Ansicht der Reisegruppe Nachhaltige Entwicklung ins Zentrum des
politischen Handelns.

  • Aus diesem Grunde soll das Ziel der Nachhaltigkeit Aufnahme ins Grundgesetz finden und
    ein Nachhaltigkeitsministerium eingerichtet werden.
  • Um das Ziel, die Lebensgrundlage künftiger Generationen zu sichern, sind detaillierte Vorschläge zum Umbau der Wirtschaft, insbesondere der Landwirtschaft, erarbeitet worden.
  • Aus Sicht der Reisegruppe ist es notwendig, mit dem Wachstumsparadigma zu brechen. Um darauf hinzuwirken, soll Deutschland in der Welt Nachhaltigkeit und Klimaschutz fördern und dadurch Bewusstseins- und Verhaltensänderungen anstoßen.