Auftakt für Bürgerrat
Am 13. Januar hat der zweite bundesweite Bürgerrat mit aus ganz Deutschland ausgelosten Menschen begonnen: Auf zehn Online-Veranstaltungen bis zum 20. Februar werden 160 zufällig ausgeloste Menschen (169 mit Puffer) aus ganz Deutschland Empfehlungen dazu erarbeiten, wie die Bundesrepublik künftig auf der weltpolitischen Bühne auftreten soll.
Die Schirmherrschaft für das bundesweite Bürgerprojekt hat Bundestagspräsident Dr. Wolfgang Schäuble übernommen. „Bürgerräte sind ein mögliches Instrument für mehr Mitsprache und Dialog in der repräsentativen Demokratie“, sagt er. „Sie sind keine Konkurrenz zu den bewährten parlamentarischen Entscheidungsverfahren, sondern eine sinnvolle Ergänzung, die auch dazu beitragen kann, das Verständnis für die Komplexität politischer Fragen und demokratische Entscheidungsprozesse zu vertiefen.“
Marianne Birthler, die als Vorsitzende den Bürgerrat begleitet, erklärt: „Demokratie und Freiheit leben davon, dass es möglichst viele engagierte, kritische und gut informierte Bürgerinnen und Bürger gibt. Menschen, die auf der Grundlage unserer Verfassungswerte und in Augenhöhe mit der Politik für einen lebendigen und steten öffentlichen Diskurs sorgen, sind die besten Garanten einer offenen Gesellschaft. Für einen solchen Diskurs und das wechselseitige Interesse braucht es nicht nur seriöse Medien, sondern auch Räume und Gelegenheiten, die einen vertrauensvollen Austausch ermöglichen. Idealerweise verbindet dieser nicht nur Bevölkerung und Politik, sondern auch Menschen unterschiedlicher Generationen, Herkünfte, Berufe oder Lebensweisen, die miteinander sonst selten ins Gespräch kommen.“
„Ein geloster Bürgerrat bringt das ganze Land an einen Tisch. Bei diesem Bürgerrat geht es um Empfehlungen zu Deutschlands außenpolitischer Rolle, aber auch darum ein neues Element politischer Beteiligung zu erproben. Nebenbei gewinnen wir Erkenntnisse über Bürgerräte im das Online-Format“, ergänzt Claudine Nierth, Vorstandssprecherin des Vereins Mehr Demokratie, der das Projekt in Kooperation mit der Initiative EsgehtLOS als selbst verantwortetes und eigenfinanziertes Modellprojekt organisiert. „Geloste Bürgerräte können die Distanz zwischen Bürgerschaft und Parlament überwinden und den Mitgliedern des Bundestages wichtige Entscheidungshilfen geben. Sie stärken das Vertrauen in die Demokratie und können die Politik bereichern.“
Vom 13. Januar an beraten die gelosten Teilnehmenden an sechs Mittwochabenden und an vier Samstagen über Detailfragen in den fünf Themenbereiche Nachhaltige Entwicklung, Wirtschaft und Handeln, EU-Außenpolitik, Frieden und Sicherheit, Demokratie und Rechtsstaatlichkeit. Jede ausgeloste Person wird einem Themenbereich zugeordnet und darüber in immer wieder neu zusammengesetzten Kleingruppen diskutieren. Fachleute informieren in Online-Vorträgen über verschiedene Perspektiven zu den Einzelthemen und stehen für Fragen zur Verfügung. Alle Beratungen werden professionell moderiert und dokumentiert. Die Ausgelosten kommen immer wieder auch in großer Runde zusammen und stimmen am Schluss über die Handlungsempfehlungen zur Außenpolitik ab, die am 19. März in Form eines Bürgergutachtens öffentlich dem Bundestag übergeben werden.
Die Zusammensetzung des Bürgerrats entspricht von der Verteilung der Altersgruppen, Geschlechter, Bildungsabschlüsse, Wohnorte sowie von Wohnortgröße und Migrationshintergrund her ziemlich genau der Bevölkerung in Deutschland. Zunächst wurden dafür Gemeinden ausgelost, dann aus deren Einwohnermelderegistern zufällig ermittelte Personen angeschrieben und aus den Rückmeldungen dann die Teilnehmenden am Bürgerrat zusammengestellt. Menschen mit niedrigeren Bildungsabschlüssen wurden gezielt angesprochen, um ihren Anteil beim Bürgerrat dem Anteil an der Gesamtbevölkerung anzunähern. Der Prozess wird durchgeführt von den Beteiligungsinstituten ifok, IPG und nexus und finanziert mit Unterstützung von Robert Bosch-Stiftung, Stiftung Mercator, Schöpflin Stiftung, Zeit-Stiftung und Open Society Foundations.